Hintergrund

Äthiopien weist eine unglaubliche Vielfalt an traditionellen Nutzpflanzen auf. Zu den erstaunlichsten dieser Pflanzen gehört sicherlich der "Kohlbaum" (Moringa stenopetala). Dieser Baum wird seit Jahrhunderten in einem relativ eng begrenzten Gebiet südlich von Arba Minch (insbesondere in Konso und um Gidole) angebaut und genutzt.

Im Landwirtschaftssystem der Konso spielt Moringa eine Schlüsselrolle. Seine Blätter sind essbar und liefern vor allem in der nahrungsarmen Trockenzeit ein wertvolles Gemüse, das reich an den Vitaminen A und C sowie an Calcium und Eisen ist. Moringablätter werden auf den lokalen Märkten gehandelt und stellen eine wichtige Einnahmequelle für die Bauern dar.

Auch die unreifen Früchte sind zum Verzehr geeignet. Die gemahlenen Samen liefern ein wertvolles Speiseöl mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Alle grünen Teile des Baumes können auch als gehaltvolles Viehfutter genutzt werden.

Moringa ist ausgesprochen trockenheitsresistent. Im traditionellen Agroforstsystem der Konso dienen die Bäume zur Beschattung der Felder, als Erosionsschutz und als natürliche Feldeingrenzung. Außerdem erhöhen sie - in stärkerem Maße als andere Baumarten - die Bodenfeuchtigkeit. Das Holz ist zwar nicht von großer Qualität, ist aber dennoch als Energiequelle nutzbar.

Darüber hinaus werden für Konso eine ganze Reihe von medizinischen Wirkungen verschiedener Teile des Baumes beschrieben. Auch aus anderen afrikanischen Ländern sind medizinische Anwendungen bekannt. So wird übereinstimmend in der traditionellen Medizin Diabetes mit einem Auszug aus den getrockneten Blättern erfolgreich behandelt. Auch Erkältungskrankheiten, Verdauungsstörungen und einige andere Beschwerden lassen sich offenbar mit Teilen des Baumes lindern.

Eine weitere hochinteressante Nutzungsmöglichkeit hat sich erst in jüngerer Zeit ergeben. Untersuchungen im Sudan zeigten, dass die Samen des Kohlbaumes eine Substanz enthalten, die zur Klärung von trübem Wasser geeignet ist (Jahn, GTZ, 1981). Diese wasserreinigende Wirkung ist noch effizienter als chemische Fällungsmittel wie sie in der technischen Wasseraufbereitung Verwendung finden. Analysen an der Universität Tübingen haben ergeben, dass es sich bei dem Flockungsmittel des Moringasamens um ein Protein handelt.

Erste Versuche mit Moringa in Äthiopien wurden von Göttsch im Jahre 1984 durchgeführt und erwiesen sich als sehr vielversprechend.

Aschalew Hunde, ein Pharmazeut, der damals (1984) in Arba Minch arbeitete, hat in der Folge weitere Untersuchungen zur Wasserreinigung mit Moringa angestellt. Dabei fand er heraus, dass das verschmutzte Wasser nicht nur geklärt wurde, sondern dass sich auch die Zahl der Keime im Wasser beträchtlich verringert hatte und zwar um so stärker, je verschmutzter das Wasser war. Im Jahre 1994 führte Aschalew Hunde einen mehrmonatigen Feldversuch in Qola Shara, einer Gemeinde bei Arba Minch, durch. Die Hälfte der etwa 300 Haushalte der Ortschaft behandelte ihr Trinkwasser mit Moringasamen, die andere Hälfte verwendete weiterhin - wie bisher - unbehandeltes Oberflächenwasser. Das Ergebnis der 1995 abgeschlossenen Studie stellte erneut sehr überzeugend die Wirkung von Moringasamen unter Beweis. So war die Zahl der Durchfallerkrankungen in der Versuchsgruppe drastisch (um mehr als 90%) zurückgegangen, und Qualität sowie Geschmack des behandelten Wassers wurden von den Probanden gelobt. Bei diesem Versuch wurden 1-1,5 Samen pro Liter Wasser eingesetzt. Das Wasser wurde nach der Zugabe für ca. 5-10 Minuten gerührt, dann für etwa eine Stunde stehen gelassen und anschließend vom Bodensatz abgegossen.

Ein Moringabaum produziert jährlich ungefähr 5000 Samen. Drei Bäume würden den Jahresbedarf einer Durchschnittsfamilie im ländlichen Äthiopien decken. Die große Mehrheit der Äthiopier wird für ihre Wasserversorgung noch für sehr lange Zeit auf verschmutztes Oberflächenwasser angewiesen sein. Für diese Menschen stellt die Moringamethode eine billige, natürliche, resourcenschonende und nachhaltige Methode der Wasserverbesserung dar.

Alle bisher durchgeführten Experimente haben ohne gravierende Einschränkungen den Nutzen der Methode unter Beweis gestellt, ihre Implementierung bei der Bevölkerung vor Ort erweist sich jedoch als sehr schwierig.

Die Moringa-AG des DÄV hat es sich vorgenommen, die mittlerweile weltweit vorliegenden Versuchsergebnisse zu sammeln und zu bündeln, um sie dann interessierten Personen und Institutionen insbesondere in Äthiopien zur Verfügung zu stellen.

Unsere "Zielinstitutionen" sind vor allem Ausbildungseinrichtungen wie z.B. Colleges für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Hauswirtschaft und Lehrerausbildung, aber auch generell Landwirtschafts- und Forstbehörden sowie interessierte NGO´s und Privatpersonen.

Wenn die Moringamethode an geeigneter Stelle im Curriculum der genannten Ausbildungsinstitutionen verankert wäre, ließe sich natürlich ein optimaler Multiplikatoreffekt erzielen

Ein großer Teil der internationalen Moringa-Literatur bezieht sich auf Moringa oleifera, einen weiteren Vertreter aus der Familie der Moringaceae. Dieser wurde zwar als Zierbaum schon vor längerer Zeit in Äthiopien eingeführt, ist jedoch nicht weit verbreitet. Auch die Samen dieses Baumes sind zur Wasserreinigung geeignet. Wir beziehen uns bei unserer Arbeit in Äthiopien jedoch - zumindest vorläufig - nur auf Moringa stenopetala.

Wir haben, wie oben schon mehrfach angedeutet, umfangreiche Literatur zu M. stenopetala, aber auch zu M. oleifera gesammelt. Außer in Äthiopien sind auch in mehreren anderen afrikanischen Ländern vielversprechende Untersuchungen durchgeführt worden (z.B. in Tschad, Sudan, Malawi und Senegal).

Weltweit wird an zahlreichen wissenschaftlichen Instituten über Moringa geforscht (z.B. in England (Universität Leicester), Deutschland (Universitäten Stuttgart und Karlsruhe) und in den USA).

Eggert Göttsch

Hier einige interessante Links zu Moringa:

2 Berichte über Moringa in der äth. Zeitung Addis Semen, März 2001 (pdf-Format)

Konso agriculture and its plant genetic resources : Moringa stenopetala - 1991 (pdf-Format)

Purification of turbid surface water by plants in Ethiopia - Walia - 1992 (pdf-Format)

Linksammlung (pdf)

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