Große Symbole - große Krisen: Kirche
Die äthiopischen Kirchen verstehen sich über alle Konfessionen hinweg vorbildlich – auch so ein nationale Symbol, das, wenn es überhaupt jemals so rückhaltlos galt, nun ernsthaft bedroht ist: Die Heilige Synode der äthiopischen Tewahedo-Kirche muss sich auf einmal mit der Abspaltung einer Oromo Orthodox Church befassen. Kirchen werden geschändet, Priester getötet. In den letzten zwei Jahren sollen 30 Kirchen angegriffen worden sein. Die orthodoxe Gläubigen gehen schließlich zu Millionen auf die Straße, die Kirche zieht dann aber weitere regionale Meetings und Gespräch weiteren Massenveranstaltungen vor – vorerst. Vor dem alljährlichen Meskel-Fest erwartet die Kirche vergeblich auf ein klares Statement der Regierung gegen diese Gewalt: "The Orthodox Christians are not happy with the government. The people expect the government to say something about the church. Why is the government remaining silent?" Dr. Abiy outet sich hingegen als Fan des oromischen Erntedankfestes Irreecha: “Since values that build brotherhood and encourage social interaction have significant contributions for nation building, let’s use this great celebration for this purpose.” Bei Irreecha geht es vor allem auch um die Identität und den Stolz des Oromo-Volkes. Am 5. Oktober wurde gefeiert – zum ersten Mal auch ganz groß in Addis Abeba: „Ethiopia's spring festival in capital after 150 years“ betitelt Al-Jazeera eine Videoreportage – viele westlich Medien schreiben das ab. Vor 150 Jahren gab es in Äthiopien aber noch keine Stadt mit diesem Namen – die riesige Party hat nun ihre politische Debatte, wer wann wo zuerst war und deshalb heute wieder alles beanspruchen darf oder auch nicht … Dass sich der Oromia-Vizepräsident Shimelis bei seiner Irreecha-Rede zu einer Beleidigung der Amharen (siehe oben) hinreißen lässt, lässt Abiys Freude über das Fest als „Symbol für Frieden und Einheit“ geradezu naiv erscheinen. Es kann kaum wundern, dass die Tewahedo-Kirche nach den tödlichen Ausschreitungen in Oromia zu den größten Kritikern von Dr. Abiy zählt. Die Kirche will außerdem im ganzen Land Trainingscenter in der jeweiligen Regionalsprache anbieten.