„Baumwolle lässt sich nicht virtuell säen, ernten und verarbeiten“
Dass Äthiopien zur Industrialisierung und für höhere Exporteinnahmen seit Jahre auf den Textilsektor setzt, ist bei Interessierten hinlänglich bekannt. Auch dass die staatlichen Industrieparks hier eine wichtige Rolle spielen, ist kein Expertenwissen mehr. Dass sich die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bereits seit 2008 in dem Sektor engagiert, weiß jedoch kaum jemand. Auch nicht, dass der Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie e.V. (Gesamtmasche) längst vor Ort aktiv ist. Anfang Juni hat der deutsche Verband zusammen mit der Ethiopian Textile and Garment Manufacturers Association (ETGAMA) eine Website zu einem neuen dreijährigen Projekt gelauncht. Der Deutsch-Äthiopische Verein sprach mit Silvia Jungbauer, Hauptgeschäftsführerin von Gesamtmasche.
Wie sind Sie auf Äthiopien aufmerksam geworden kam es eigentlich zu dem Projekt mit dem äthiopischen Textilverband ETGAMA?
Auf Initiative der gemeinnützigen Entwicklungsorganisation sequa kamen wir 2008 erstmals nach Äthiopien. In dieser Zeit wurde ETGAMA mit Unterstützung der GIZ gegründet. In den Folgejahren gab es immer wieder Kontakt über die GIZ und im Rahmen von Delegationsreisen und Messen. Im Zuge der Afrika-Initiative des Bundes reifte der Plan, sich stärker zu engagieren. Unser Projekt ist Anfang Oktober 2019 gestartet.
Was ist der Inhalt des Projekts und wie sehen Ihre Ziele aus?
Es geht vor allem um drei Ziele: Aufbau von Kapazitäten, Training und technische Unterstützung sowie Förderung von Handel und Transparenz. Wir werden unseren Partnerverband ETGAMA dabei unterstützen, seine Mitgliedsfirmen nicht nur wirtschaftlich und rechtlich besser beraten zu können – sondern auch technisch. Je nach Bedarf der Mitglieder wollen wir Beratung, Training, Unterstützung und Information zu Förderung des Handels anbieten. Das beinhaltet auch die Entwicklung eines Qualitätsstandards für Baumwolle. Natürlich geht es auch um internationale Wettbewerbsfähigkeit. Unser Projekt zielt vor allem auf eine nachhaltige, transparente und qualitativ hochwertige Lieferkette ab.
Was ist schon passiert und welche konkreten nächsten Schritte sind geplant?
Letzen November, gleich nach Projektstart, haben wir unser Vorhaben gemeinsam mit ETGAMA auf der African Sourcing & Fashion Week in Addis Abeba präsentiert und äthiopische Unternehmer zum Projekt-Kick-off eingeladen. Im Februar war dann ein Projekt-Team der Gesamtmasche in Äthiopien. Bei einem Workshop der Verbände konnten sich Unternehmer intensiv zu Ideen und Kooperationsmöglichkeiten austauschen. Momentan liegt der Schwerpunkt auf Qualitätsverbesserungen und Transparenz in der baumwollverarbeitenden Lieferkette, angefangen bei der Baumwollfarm. Wir haben in Äthiopien bereits eine ganze Reihe von Betrieben besucht, darunter mehrere Baumwollspinnereien, aber auch weiterverarbeitende Unternehmen wie Strickereien, Webereien und Nähbetriebe..
Wie hat das aktuelle Geschehen rund um Corona ihre Arbeit verändert?
Corona macht die Zusammenarbeit vor Ort über Monate unmöglich. Das bedeutet für unser Projekt natürlich Verzögerungen. Wo es geht, behelfen wir uns mit Video-Konferenzen. Projektteile, die über Web-Meetings und Telefon besprochen werden können - z. B. Tools zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit – ziehen wir zeitlich nach vorne. Das funktioniert prinzipiell gut. Die schwache Internet-Infrastruktur macht uns aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Und gewisse Projektziele erfordern physische Präsenz. Baumwolle lässt sich nicht virtuell säen, ernten und verarbeiten. Und bei den Äthiopiern erscheint der Wunsch noch größer als bei uns, gemeinsam um einen Tisch herum persönlich zu diskutieren – und nicht auf die Distanz.
Auch die GIZ und andere Player – auch aus anderen Ländern - engagieren sich in Äthiopien im Bereich Textilien. Wie sieht die Zusammenarbeit mit diesen aus?
Wir tauschen uns regelmäßig mit der GIZ vor Ort aus und kooperieren zum Beispiel auch auf Messen. Die GIZ hat uns auch dabei geholfen, die Partnerschaft mit ETGAMA aufzubauen und mit weiteren wichtigen Organisationen in Kontakt zu kommen.
Wann ist mit ersten Ergebnissen der Kooperation zu rechnen und welcher Art könnten diese sein?
Das Projekt läuft noch bis Ende 2022. Wir hoffen, dass wir bis dahin Firmenpartnerschaften zwischen deutschen und äthiopischen Firmen ankurbeln konnten, vom Garn bis zu textilen Fertigwaren. Unsere Aktivitäten zu transparenten Lieferketten sollen die Textilbranche in Äthiopien dabei unterstützen, international als verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden.