"Europa muss seine Bonität einsetzen für ein sehr wertvolles und großes Ziel"
Martin Schoeller ist Familienunternehmer ("Schoeller Group") und Honorarkonsule der Republik Togo. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch „Afrika First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft“, das er zusammen mit dem Wirtschaftsjournalisten Daniel Schönwitz verfasst hat. Am 20. März sind beide zu Gast im Panel "Entrepreneurship: Neue Wege der EZ?" bei unserem Online-Äthiopien-Forum. Unsere Pressereferent Alexander Bestle hat deshalb mit Martin Schöller gesprochen.
DÄV: Ganz platt gefragt: Wie könnte Unternehmertum Afrika „retten“?
Schöller: Afrika braucht Infrastruktur, 70 % der Menschen haben keinen Strom, Wasser und keine richtige Straße. Wir können das in Partnerschaft bauen, dabei die Soziale Marktwirtschaft einführen und die Voraussetzung für Wohlstand schaffen. Das ist nicht nur sinnvoll, es ist auch ein riesiges Geschäft für beide Seiten. Es braucht kein Geld vom Steuerzahler, aber Europa muss seine Bonität einsetzen für ein sehr wertvolles und großes Ziel.
Was muss an die Seite von Unternehmertum treten, dass in Afrika so viele Menschen wie möglich profitieren?
Die Europäische Union und das Unternehmertum müssen hier koordiniert vorgehen, der Wille ist da und für den Weg gibt es z.B. unser Buch. Afrika braucht die Soziale Marktwirtschaft, die uns in Europa Frieden, Freiheit und breiten Wohlstand beschert hat. Wichtig sind insbesondere faire Löhne und soziale Netze. Nur durch die soziale Marktwirtschaft gibt es auch Konsumenten mit Kaufkraft. 1 € am Tag ist das Problem, das Afrika arm hält, aber dieses Problem können wir lösen.
Momentan dominieren noch die Chinesen, sie sind aber vor allem an den Rohstoffen interessiert. Wir brauchen diese Rohstoffe auch für eine grüne Zukunft.
Wie können in Afrika mehr Unternehmen entstehen, die Arbeitsplätze schaffen?
Ich bin überzeugt, dass Verkehrs-, Strom-, Digital- und Wassernetze die Plattform sind, auf der unternehmerisches Engagement gedeiht. Hier müssen wir ansetzen: In „Afrika First!“ plädieren wir für eine europäische Initiative zum Infrastruktur-Aufbau – die „Gewürzroute 4.0“. Das Unternehmertum folgt, wenn die Infrastruktur da ist. Es braucht außerdem Risikofinanzierung und solidarischer Risikoschutz.
Europa muss Unternehmern helfen, wenn afrikanische Regierungen Verträge nicht einhalten wollen oder plötzlich enteignen wollen. Das ist eine der größten Ängste, die Unternehmertum noch bremsen.
Müssen Gelder der Entwicklungszusammenarbeit umverteilt werden - zugunsten von Venturecapital für Start-ups hier und dort?
Zunächst sollte die Infrastruktur-Finanzierung ins Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit rücken.
Mit Zinszuschüssen könnten wir einen 100-fachen Hebel erreichen, da die Zinsen in Europa unter 1 % liegen. Wir müssen allerdings bereit sein zu langfristigen Finanzierungen auf Basis der europäischen Bonität. Darüber hinaus gilt es, mit klugen Konzepten mehr privates Kapital für Startups und Mittelständler zu mobilisieren. Das kann gelingen durch Transparenz und Vernetzung. Da sind wir dran und starten eine „Afrika-First-Plattform“ für Impact Investing, die Unternehmer und Investoren zusammenbringt. Der Zeitpunkt ist angesichts niedriger Zinsen und teurer Aktien in den Industrieländern günstiger denn je.
Wie ist mehr Wohlstand für Afrika mit klimapolitischen und ökologischen Zielen vereinbar?
Heute verfügen wir mit Solarstrom, Batterien und Elektroautos über die Technologie, um eine vollkommen CO2-freie Welt zu bauen und dennoch den Wohlstand zu steigern. Afrika hat ein Vielfaches an Sonne und auch Platz für Speicher und auch für Wasserspeicher. Wir können es uns also leisten, die Armut zu bekämpfen, ohne ökologische Ängste zu haben.